Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
Die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stellen die Einzelhandelsbranche vor eine Reihe von Herausforderungen. „Die Sparneigung der Verbraucher ist hoch, die Inflation und die zurückhaltende Konsumhaltung drücken die Ausgabebereitschaft“, erklärt Lars Jähnichen, Geschäftsführer der IPH Gruppe. „Trotz dieser schwierigen Bedingungen erwarten wir, dass der Einzelhandelsumsatz in Deutschland bis 2028 von 657,5 Milliarden Euro auf etwa 700 Milliarden Euro steigen wird. Besonders der Onlinehandel spielt dabei eine zentrale Rolle, insbesondere im Mode- und Accessoire-Segment. Der Onlineanteil wird von 42 % im Jahr 2024 auf voraussichtlich 49 % im Jahr 2028 steigen.“
Diese Veränderungen im Konsumverhalten werden die Struktur des Marktes erheblich beeinflussen. Die Herausforderung liegt darin, wie Handelsimmobilien sich an die neuen Bedürfnisse anpassen können. Jähnichen betont: „Starke Städte und etablierte Einkaufszentren werden weiterhin gefragt sein, während B- und C-Städte mit einem dramatischen Verlust an Non-Food-Handelsflächen rechnen müssen. Bis 2035 könnten wir einen Verlust von rund 10 Millionen Quadratmetern erleben.“
Polarisierung des Marktes
Ein zentrales Thema der Diskussion war die zunehmende Polarisierung des Marktes. Diese Entwicklung betrifft sowohl die Standorte als auch die Immobilienarten. „Wir sehen eine klare Tendenz, dass starke Städte und etablierte Einkaufszentren weiterhin wachsen, während schwächere Standorte und B- und C-Städte mit einer Reduzierung der Handelsflächen zu kämpfen haben“, erklärt Jähnichen. Diese Verschiebung verlangt nach einer klaren Positionierung und einer aktiven Gestaltung von Immobilien, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Der Handel in Deutschland wird zunehmend in den Händen von wenigen, stark frequentierten Lagen liegen, während andere Standorte an Bedeutung verlieren.
Die neue Realität der Handelsimmobilien
Dirk Wehinger, Geschäftsführer von Argon, beschreibt die veränderte Investitionslandschaft: „Wir haben 2021 entschieden, von traditionellen Immobilieninvestitionen auf Wertpapiere umzuschwenken, weil die Renditen aus den klassischen Handelsimmobilien nicht mehr zufriedenstellend waren. Besonders 1A-Lagen haben wir verkauft.“
Trotz dieses Wandels bleibt Argon weiterhin an Handelsimmobilien interessiert, jedoch nur an Standorten, die eine „natürliche Frequenz“ bieten. „Handel braucht Frequenz. Das Potenzial des Einzelhandels, diese Frequenz selbst zu generieren, wird jedoch immer begrenzter. Besonders in den Innenstadtbereichen sehen wir die Auswirkungen von Homeoffice-Tagen, an denen die Frequenz deutlich sinkt“, so Wehinger. In dieser neuen Realität setzen Investoren verstärkt auf kürzere Mietverträge und eine größere Flexibilität in der Nutzung der Flächen.
Die Finanzierung von Handelsimmobilien
Angesichts der unsicheren Marktbedingungen wird die Finanzierung von Handelsimmobilien immer anspruchsvoller. Gabriele Friedl, Senior-Produktspezialistin bei der BayernLB, erläutert: „Als finanzierende Bank müssen wir eine klare Perspektive für das Objekt erkennen können. Das heißt, wir müssen die Makro- und Mikrolage genau analysieren und uns Gedanken über die Flexibilität der Flächen und mögliche Umnutzungen machen.“ Besonders für A-Lagen sei es wichtig, einen Plan B zu entwickeln, um das Objekt langfristig tragfähig zu halten. „Die ESG-Tauglichkeit von Immobilien ist ebenfalls ein wichtiger Prüfpunkt, der zunehmend an Bedeutung gewinnt“, fügt Friedl hinzu.
Renditen und die Marktentwicklung
Maximilian Ludwig von Real I.S. erwartet trotz der schwierigen Marktbedingungen stabile Renditen für Einzelhandelsimmobilien, insbesondere in gut gelegenen Lagen. „Die Spreizung zwischen gut gelegenen und weniger attraktiven Objekten wird immer größer. Einkaufszentren in B-Standorten haben nach wie vor Schwierigkeiten, während innerstädtische Lagen weiterhin gute Renditen liefern“, erklärt Ludwig. Für die kommenden Jahre prognostiziert er eine moderate Steigerung der Spitzenmieten um etwa zwei Prozent.
Mixed-Use-Immobilien als Zukunftschance
Ein Bereich, der besonders vielversprechend ist, sind Mixed-Use-Immobilien. Diese Immobilien, die eine Kombination aus Einzelhandel, Büro- und Wohnflächen bieten, könnten eine Lösung für die Umnutzung von leerstehenden Handelsflächen sein. Besonders ehemalige Warenhäuser könnten durch Umbauten zu attraktiven Mixed-Use-Objekten werden. Ludwig betont, dass solche Projekte besonders für institutionelle Investoren von Interesse sind, da sie Flexibilität und Diversifikation bieten.
Fazit: Chancen in einer sich verändernden Landschaft
Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der zunehmenden Polarisierung im Einzelhandel bieten sich weiterhin Chancen für Investoren und Betreiber. Die Märkte der Zukunft werden vor allem von innerstädtischen Objekten, gut positionierten Einkaufszentren und Mixed-Use-Projekten bestimmt werden. Wer in dieser neuen Realität erfolgreich bleiben will, muss flexibel und kreativ bleiben, um den Anforderungen eines sich ständig verändernden Marktes gerecht zu werden. „Die Zukunft des Einzelhandels wird von denjenigen gestaltet, die in der Lage sind, sich ständig an die neuen Gegebenheiten anzupassen und innovative Lösungen zu entwickeln“, fasst Lars Jähnichen zusammen.