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Zukunft der Highstreets: Die Treffpunkte der Menschen bekommen neue Strukturen

Dez 2021
Mehr denn je befindet sich der stationäre Handel im Wandel. Der Onlineboom wurde von den Lockdowns in der Coronapandemie befeuert, immer mehr Umsätze wandern ins Internet. Die Flächenleistungen der Läden erschweren zunehmend den wirtschaftlichen Betrieb, Standorte werden aufgegeben. Davon ist auch die Highstreet betroffen.

Eine Handelsimmobilienexpertin wie Alexandra Gradl kann sehr gut den Wandel in den besten Lagen einer Innenstadt beschreiben: „Noch 2010 hat mein Telefon nicht stillgestanden. Die Handelsmieter rissen sich um Geschäfte, es war ein kaum zu befriedigender Nachfragemarkt“, erinnert sich die Leiterin des Highstreet-Geschäfts bei der IPH Gruppe. Und heute? „Die Anrufe sind deutlich weniger geworden. Wir haben heute einen Mietermarkt, das hat sogar schon vor der Coronapandemie begonnen.“

Vertikale Händler und Filialisten dünnen ihre Ladennetze aus

Einer der Gründe für den zunehmenden Flächenüberhang: Die vertikalen Konzepte dünnen ihr Filialnetz aus und konzentrieren sich immer mehr auf einen Standort pro Highstreet. Auch die nationalen und internationalen Filialisten reduzieren ihre Anzahl an Läden, auch sie prüfen genau, wo ein Flagship-Store noch Sinn ergibt.

Und je stärker die Händler eigene Omnichannel-Angebote forcieren, desto größere Lagerräume benötigen sie bei einer gleichzeitigen Reduzierung der Verkaufsräume. Entsprechend steigt die Nachfrage nach solchen Objekten.

Mehr freie Flächen bedeutet auch, dass diese günstiger werden. Die Preisrallye der jüngeren Vergangenheit ist gestoppt. So hat der Immobilienverband IVD festgestellt, dass die Mieten in den sieben größten Städten (Berlin, Hamburg, München, Frankfurt am Main, Köln, Stuttgart und Düsseldorf) im Vergleich zum Vorjahr durchschnittlich um fast 13 Prozent gesunken sind. „Die Mieter sind heute in einer viel besseren Verhandlungsposition als noch vor fünf oder gar zehn Jahren“, sagt Expertin Gradl. „Die Vermieter wiederum müssen lernen, dass sie nicht mehr dieselben Mieten verlangen können wie in der Vergangenheit.“

Kürzere Vertragslaufzeiten, umsatzbasierte Mieten

Auch die Struktur der Mietverträge ändert sich: Die Laufzeiten werden kürzer, damit Händler mehr Flexibilität haben. Zudem bestehen sie immer mehr auf umsatzbasierte Mieten, die ihr eigenes wirtschaftliches Risiko verringern. Bei Eigentümern oder Vermietern ist diese Vertragsform verständlicherweise weniger beliebt, weil die Einnahmesituation dadurch volatiler wird.

Wenn die Mieten günstiger sind als bisher, dann können sich aber auch solche Händler Flächen in den besten Lagen leisten, die für sie vorher lange unerschwinglich waren. „Viele rücken jetzt aus den B- in die A-Lagen“, beschreibt Alexandra Gradl den Markt. Doch diese Verschiebungen ändern nichts am grundsätzlichen Strukturwandel in den besten Lagen: Es gibt immer mehr überflüssige Handelsflächen.

Die Menschen brauchen Gründe, um in die Innenstädte zu kommen

Einen grundsätzlichen Bedeutungsverlust für die Highstreets befürchtet Alexandra Gradl jedoch nicht – sofern sich der stationäre Einzelhandel verändert. „Die Menschen bestellen auch aus Bequemlichkeit im Internet. Die Händler müssen ihnen Gründe geben, in die Städte zu kommen.“ Bessere Beratung, mehr Service, Events und schöner Ladenbau sind für Alexandra Gradl die vier Säulen für einen attraktiveren Einzelhandel. Eine hohe Aufenthaltsqualität mit ansprechender Gastronomie, Sitzgelegenheiten, schattenspendenden Bäumen und vielleicht Springbrunnen gehört ebenfalls zwingend zu einer Innenstadt, welche die Menschen anlockt.

Was aber auch vor allem Eigentümer lernen müssen: Nicht immer können frei werdende Handelsflächen vom klassischen Nonfood-Einzelhandel ersetzt werden. „In die Innenstädte ziehen nach und nach neue Nutzungskonzepte“, sagt Alexandra Gradl. Elektroautomarken wie Genesis und Polestar mieten neuerdings ebenso Innenstadtläden an wie Süßwarenhersteller, etwa Haribo und M&M’s. Auch Lebensmitteldiscounter wie Aldi und Lidl dringen verstärkt in die Top-Lagen vor.

Die Highstreets bleiben die Innenstadt-Treffpunkte der Menschen

Und schließlich fragen auch Anbieter komplett neuer Nutzungskonzepte innerstädtische Flächen nach: Hotels, Gesundheitseinrichtungen, Dienstleister und Coworking-Anbieter. Vermieter müssen sich damit auseinandersetzen und dürfen nicht darauf hoffen, dass die goldenen Handelsmietenzeiten zurückkehren.

Die Strukturen der Highstreets ändern sich, ihre Attraktivität als Treffpunkte der Menschen bleibt allerdings.

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Ansprechpartner
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Alexandra Gradl

Leitung Vermietung Highstreet
IPH Handelsimmobilien GmbH